Künstlerrollen

Listen mit sämtlichen Titeln

1. Von Künstlern eingespielte Notenrollen der Ludwig Hupfeld AG

Um ein Produkt wie den Phonola-Vorsetzer dauerhaft verkaufen zu können, brauchte man auch ein ständig zu erweiterndes Repertoire an Musikstücken. Zu jener Zeit standen die großen Komponisten der Klassik und Romantik, von Beethoven über Schumann bis Liszt, hoch im Kurs. Begüterte und kulturvolle Haushalte wurden nunmehr um ein Statussymbol bereichert: Die Phonola bezeugte den hohen Kunstsinn der Besitzer und erfreute die private Gesellschaft mit hochkarätiger Klaviermusik. Musisch gebildete Damen und Herren durften dennoch ihr Können präsentieren, indem die Tretbälge „gefühlvoll“ zu betätigen und Handhebel für Dynamik und Pedal an der richtigen Stelle einzusetzen waren.

Die frühesten Rollen wurden von Arrangeuren „gezeichnet“: Entsprechend der Partitur markierten sie haargenau die Stellen, an denen Löcher gestanzt werden mussten. Zusätzlich druckte man auf die Rolle Anweisungen zum Bedienen der Pedale und Dynamik-Hebel.

Ab 1906 bot die Firma Hupfeld nunmehr auch „eingespielte“ Rollen für die 73er Phonola. D.h. mit einem speziellen, eigens entwickelten Aufnahmeverfahren wurde das originale Spiel bedeutender Pianisten und Komponisten aufgezeichnet und anschließend gestanzt. Im privaten Haushalt konnte man somit quasi die Interpretation einer Beethoven-Sonate durch verschiedene Pianisten anhören. Besonders reizvoll dürften zudem solche Rollen gewesen sein, bei denen Komponisten ihre eigenen Werke einspielten. Victor Holländer bringt seine eigenen Kompositionen zu Gehör: Authentischer geht es kaum. Zu dem gesamten Prozedere, zu Vor- und Nachteilen der „gezeichneten“ und „eingespielten“ Rollen gibt es bereits wichtige und informative Literatur zum Thema, so dass es hier nur gestreift werden soll:

  • Schmitz, Hans-W. Zur Notenrollen-produktion bei der Ludwig-Hupfeld-AG in Leipzig, in: Fontana, Eszter (Hrsg), Im Aufnahmesalon Hupfeld, Halle 2000, S. 27-34
  • Hocker, Jürgen, Faszination Player Piano: Das selbstspielende Klavier von den Anfängen bis zur Gegenwart, Bergkirchen 2009. 350 S.
  • Widuch, Marc, faszinationpianola.de

In den Aufnahmesalons von Hupfeld kam es zwischen 1905 und 1930  zu zahlreichen Einspielungen namhafter und weniger bekannter Künstler. Rund  4000 (!) Rollen mit Künstlerspiel kamen nach und nach auf den Markt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass viele Einspielungen  doppelt und dreifach vorliegen, jedoch für unterschiedliche Spielapparate bearbeitet wurden. Denn in den Verkaufssalons standen allmählich folgende verschiedene Klavierspieler (als Vorsetzer oder mit eingebauter Pneumatik) zur Verfügung:

  • Ab 1906: Hupfeld 73Phonola mit 73 Klaviertönen, ein „Halbautomat“ (ein Spieler muss die Tretbälge, Pedale und Dynamikhebel bedienen). Ab 1908 mit Solodant-Lochungen für das automatische Hervorheben dominanter Töne oder Passagen)
  • Ab 1907: Hupfeld DEA mit 85 Klaviertönen, ein „Vollautomat“ (Antrieb mit Motor, alle Nuancen des Klavierspiels werden automatisch wiedergegeben)
  • Ab 1913: Hupfeld 88Animatic mit 88 Klaviertönen („Halbautomat“, Bedienung ähnlich wie 73er Phonola)
  • Ab 1919: Hupfeld Tri-Phonola nach Komponisten mit 88 Klaviertönen (wahlweise ein „Voll“- oder „Halbautomat“)

Künstler-Notenrollen wurden in speziellen Broschüren stark beworben. Sie kosteten mehr als die anderen Rollen und wurden mit der Signatur des Pianisten, mitunter auch mit dessen Porträt versehen.

2. Listen mit sämtlichen Künstler-Notenrollen von Hupfeld: Quellen

In vielen privaten und öffentlichen Sammlungen der Welt finden sich die originalen Rollen verstreut wieder. Momentan gibt es vielerorts Bemühungen, sie zu digitalisieren und so der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Für die vorliegenden Listen dienten jedoch nicht die originalen Objekte als Basis. Statt dessen wurden die von Hupfeld regelmäßig veröffentlichten Verkaufskataloge nahezu vollständig durchgesehen. Die Listen geben also Auskunft über sämtliche Einspielungen, die es bei Hupfeld gegeben hatte, unabhängig davon, ob die Rollen irgendwo erhalten sind oder gar als Tondokument, z.B. auf CD, vorliegen.

Folgenden Notenrollen-Kataloge wurden vollständig durchgesehen und bilden die Grundlage der hier präsentierten Listen:

Ludwig-Hupfeld-AG:

Original Phonola Künstlerrollen.  [Leipzig: Ludwig Hupfeld], 1906. 77 S.

73 Hupfeld Phonola Generalkatalog.  [Leipzig: Ludwig Hupfeld], 1912. 693 S.

Animatic 1921 Haupt-Katalog (Catalogue général).  Böhlitz-Ehrenberg b. Leipzig: Ludwig Hupfeld A.G., 1921. 440 S.

Tri-Phonola – 500 ausgewählte Stücke. Leipzig: Ludwig Hupfeld A.G., 1923-24. 36 S.

DEA & Excelsior-Phonoliszt Notenrollenkatalog [Leipzig: Ludwig Hupfeld], 1924-25. 44 S.

 

Hupfeld - Gebr. Zimmermann AG:

88er Animatic- und 73er Phonola-Notenrollen. Neuerscheinungen Nr. 5 [Leipzig: Ludwig Hupfeld], Weihnachtsanzeige 1927.

Animatic und 73er Phonola. Neuerscheinungen Nr. 6 [Leipzig: Ludwig Hupfeld] 1927-28.

88er Animatic- und 73er Phonola-Notenrollen. Neuerscheinungen Nr. 10 [Leipzig: Ludwig Hupfeld], 1928-29.

88er Animatic- und 73er Phonola-Notenrollen. Neuerscheinungen Nr. 11 [Leipzig: Ludwig Hupfeld], 1928-29.

88er Animatic- und 73er Phonola-Notenrollen. Neuerscheinungen Nr. 13 [Leipzig: Ludwig Hupfeld], Weihnachtsanzeige 1929.

88er Animatic- und 73er Phonola-Notenrollen. Neuerscheinungen Nr. 14 [Leipzig: Ludwig Hupfeld], 1929-30.

88er Animatic- und 73er Phonola-Notenrollen. Neuerscheinungen Nr. 16 [Leipzig: Ludwig Hupfeld], 1930-31.

88er Animatic- und 73er Phonola-Notenrollen. Neuerscheinungen Nr. 17 [Leipzig: Ludwig Hupfeld], 1930-31.

88er Animatic- und 73er Phonola-Notenrollen. Neuerscheinungen Nr. 18 [Leipzig: Ludwig Hupfeld], 1931-32.

88er Animatic- und 73er Phonola-Notenrollen. Neuerscheinungen Nr. 19 [Leipzig: Ludwig Hupfeld], 1931-32.

88er Animatic- und 73er Phonola-Notenrollen. Neuerscheinungen Nr. 20 [Leipzig: Ludwig Hupfeld], 1932-33.

88er Animatic- und 73er Phonola-Notenrollen. Neuerscheinungen Nr. 21 [Leipzig: Ludwig Hupfeld], 1932-33.

 

3. Zu den vorliegenden Listen: Schema

Die Listen sind als pdf-Dateien angelegt und sollten das schnelle Suchen ermöglichen. Eine Excel-Tabelle kann bei Bedarf bei der Autorin angefragt werden.

Die Namen der Titel und Personen sind nicht einfach abgeschrieben sondern nach modernen Maßstäben vereinheitlicht worden. Dies hat sich als sinnvoll erwiesen, da es das Suchen sehr vereinfacht. In den originalen Listen finden sich dieselben Komponisten in ganz unterschiedlicher Schreibweise (z.B. Kálmán, Emmerich oder Imre Kalman). Auch die Werkstitel differieren von Liste zu Liste stark, z.B. in der Anordnung der Reihenfolge (Operntitel/ Tonart/Arie/Opuszahl u.a.).

Max Pauer beim Aufnahmespiel bei Hupfeld (Foto, ca. 1905, privat)
Max Pauer beim Aufnahmespiel bei Hupfeld (Foto, ca. 1905, privat)

Die Werke und Personen (Nachname, Vorname) wurden daher in stets gleicher Reihung aufgelistet: An erster Stelle steht das übergeordnete Werk (die Oper, die Sinfonie, der Liederzyklus), dann der daraus gespielte Ausschnitt (Arie, Satz, Lied), sowie wenn nötig und vorhanden die Opuszahl und/ oder die Tonart. Folgende Nachschlagewerke dienten als Basis:

Die Musik in Geschichte und Gegenwart (mgg-online)

www.klassika.info/Komponisten/index_A.html

musicsack.com/NameKW.cfm?NameCode=1

Wikipedia

Mit den vorliegenden Listen soll es dem Nutzer ermöglicht werden, selbst zu recherchieren: Welche Pianisten haben welche Werke eingespielt und für welches System? Oder wird vielleicht nach einer bestimmten Rollennummer gefahndet? Beim Erstellen dieser Listen wurde Vollständigkeit angestrebt; es fehlen nur wenige Nachträge der 1920er Jahre.

 

4. Ausgewählte Ergebnisse:

Die meist eingespielten Komponisten

Mit 249 Rollen ist die Musik von F. Chopin mit Abstand am meisten vertreten, gefolgt von L. Beethoven (164) und F. Liszt (157). Es folgen R. Schumann (123) und E. Grieg (102). Aber auch Richard Wagner ist als Opernkomponist ungewöhnlich gut vertreten (62). Hoch im Kurs standen außerdem die heute eher unbekannten Werke von M. Moszkowski (57).

Komponisten spielen eigene Werke

Von großem Wert sind die Einspielungen der Komponisten, die ihre eigenen Werke darboten und auf diese Weise ihre konkreten Vorstellungen der Interpretation der Nachwelt vermitteln. An vorderster Stelle steht Victor Holländer: von 40 eingespielten Rollen betreffen 38 seine eigenen Operettenmelodien. Es folgt Franz Lehár mit 31 eigenen Werken (von insgesamt 41 Rollen). Gabriel Fauré hinterließ 16 eigene Werke auf Rollen und spielte außerdem 3 Rollen mit fremden Kompositionen ein. Aleksandr Skrâbin interpretierte 14 eigene Werke (von insgesamt 24 Rollen), Max Reger 12 (von 16), Engelbert Humperdinck hinterließ 11 eigene (von 15) Rollen. Richard Strauß spielte 10 eigene Werke sowie 17 weitere Stücke ein. Schließlich hatte auch Eugen d’Albert 3 eigene Stücke (von insgesamt 30 eingespielten Rollen) dargeboten.

Einige Berühmtheit erlangten außerdem Rollen von Camille Saint-Saëns: Von insgesamt 33 eingespielten Rollen geben 15  seine eigenen Werke zu Gehör.

Pianisten spielen eigene Werke

Einige Pianistinnen und Pianisten spielten geradezu serienmäßig Rollen ein; darunter mischten sich manchmal auch wenige eigene Kompositionen. Möglicherweise war es ein Entgegenkommen der Firma Hupfeld, vielleicht aber wollten die Käufer aus Sympathie  zum Interpreten auch gern dessen Talent zum Komponieren erleben. So spielte Ilonka von Pathy insgesamt 173 Rollen ein, darunter 14 eigene Werke. Willy Rehberg hinterließ 27 Rollen, darunter nur eine mit seiner Komposition. Michael Zadora bot 2 Kompositionen, spielte insgesamt 49 Rollen ein.

Aus: Original Phonola Künstlerrollen.  [Leipzig: Ludwig Hupfeld], 1906
Aus: Original Phonola Künstlerrollen. [Leipzig: Ludwig Hupfeld], 1906

Die häufigsten Interpreten

Die eben genannte Ilonka von Pathy steht insgesamt gleich an zweiter Stelle hinsichtlich der Anzahl eingespielter Rollen (173 Stück). Platz 1 belegt der eher unbekannte Oswin Keller mit 293 Rollen. Keller war u.a. an der Leipziger Musikhochschule als Klavier-Professor tätig.

Besonders viele Einspielungen hinterließen außerdem Francis Planté (165) und Wilhelm Backhaus (146), Georg Stier (75) und Margarete Isenberg (64). Das Einspielen der Notenrollen war bei Hupfeld somit keine Männer-Domäne sondern gleichmäßig zwischen Damen und Herren verteilt.

Die modernsten Kompositionen

Die mit Abstand größte Zahl an Einspielungen betrifft Kompositionen aus dem 19. Jahrhundert. Doch sind auch solche Werke berücksichtigt worden, die  ganz neu entstanden sind. Ernst Toch zählt zu jenen Vertretern der Moderne. Seine Burleske für Klavier op. 31: Der Jongleur (1923) wurde für Hupfeld sowie auch für Welte eingespielt und 1926 in Donaueschingen präsentiert. Es ist dies ein Werk, mit dem Toch bewusst die Möglichkeiten des Selbstspiel-Klaviers bis an dessen Grenzen ausnutzte. Auch Darius Milhaud präsentierte mit seinen Trois Rag Caprices op. 78 (1922) eine sehr junge Komposition. Aus dem frühen 20. Jahrhundert stammen außerdem die folgenden, auf Notenrollen verewigten Werke:

  • Béla Bartók: 10 leichte Klavierstücke. Nr. 10: Medvetánc (Bärentanz),1908
  • Erich Wolfgang Korngold (1897-1957): Der Schneemann (Ballett UA 1910)
  • Richard Strauss (1864-1949): Ariadne und Rosenkavalier (1911, 1909)
  • Fritz Kreisler (1875-1962): Alt-Wiener Tanzweisen 1910
  • Robert Stolz (1880-1975): 15 Operetten-Rollen (1909-11 komponiert); selbst eingespielt
Ludwig Hupfeld (vorn) mit seinem Ingenieur Robert Frömsdorf am Aufnahme-Flügel, Foto ca. 1906 (privat)
Ludwig Hupfeld (vorn) mit seinem Ingenieur Robert Frömsdorf am Aufnahme-Flügel, Foto ca. 1906 (privat)